Mutter:Glück oder Mother's little helper: Presse.

Die Mutter hat glücklich zu sein


Das Theater Topoi:Log widmet sich in seiner neusten Produktion der modernen Familie. Kritisch begutachtet wird der alltägliche Wahnsinn, wie ihn frischgebackene Mütter erleben

„Ich dachte, bevor so ein Kind geboren wird, sollte man höflichkeitshalber die Wohnung putzen.“ So eröffnet die Mutter ihre Erzählungen. Der Wohnungsputz entwickelt sich zur kompletten Reorganisation, nicht nur der Wohnung, sondern des ganzen Alltags und des bisherigen Lebens. Was alles zieht das Mutterglück nach sich? Was bedeutet es, Mutter zu werden in einer modernen Welt, wo Kinder Wunschkinder sind und man den Zeitpunkt des Mutterwerdens in die Karriereplanung mit einbezieht? Das Theater Topoi:Log spürt diesen Fragen in seiner neusten Produktion „Mutter:Glück“ nach. Es tut dies mal ironisch, mal entlarvend und doch letztendlich versöhnlich. Heute feiert das Stück im Theater am Gleis Premiere.

Die Mutter hat glücklich zu sein: Sie hat einen festen Partner, muss nicht arbeiten, darf für sich und ihr Kind alles kaufen, verbringt den Tag in Cafés und in der Sonne im Park. Die perfekte Mittelstandsidylle, so scheint es. Und doch schleichen sich Dämonen in die harmonische TV-Welt ein. Langeweile, Erschöpfung und die Versagensangst, heißen die bösen Geister, welche die junge Mutter immer häufiger heimsuchen. Das Stück lässt sie den bizarren Irrsinn ihres Alltags kommentieren - wenn sie denn nicht gerade von ihrer Familie lauthals übertönt wird.

Die Mutter bleibt anonym, sie ist als Person unsichtbar geworden und nur noch Mutter. So ist sie denn hier auch nicht eine einzige Figur. Anhand von Texten von Charlotte Roche, Maria Sveland und Birgit Vanderbeke (Textfassung und Regie: Hannes Rudolph) näher sich Katrin Segger in immer wieder neuem Anlauf dem Mythos des Mutterglücks.

Wie ein Leuchtturm steht über dem Ganzen die Geschichte einer Apothekerin, welche die Mutter in einem Magazin las. Jene Frau griff kurzerhand zu Ritalin, um neben ihrer Apotheke auch einen Haushalt mit zwei Kindern und den Vorstand der Kirchenpflege zu führen und sich ausserdem mittels Fachliteratur in Philosophie weiterzubilden. „Die liest Nietzsche und Kant“, meint die Protagonistin fassungslos, ob dem Porträt dieser Übermutter. Daneben die ritalinfreie Bühnenrealität: Die Nachbarn beschweren sich über das Babygebrüll in der Nacht, der Tag versumpft über dem dritten Kaffeetreff mit Freundinnen in Langeweile, der Mann kann das zehnwöchige Projekt in der anderen Stadt nicht ablehnen. Und die Ratgeberliteratur macht einem deutlich, dass man es prinzipiell falsch macht - mit allem was man tut und auch wenn man es nicht tut. Katrin Segger spielt die Mutter hervorragend vielseitig und nahbar, einfühlsam und komisch. Dass das Stück nicht zur ungestörten Soloperformance wird, ist das Verdienst einer ganzen Puppenfamilie. Tischen, Kochen, für die Schule lernen und dann auch noch mit dem Ehemann tanzen: Die Puppen, geführt von Frauke Jacobi, sorgen dafür, dass es der Mutter nicht langweilig wird.

Das Stück nähert sich der Thematik auf vielseitige und kurzweilige Art. Einzelne Episoden werden geschickt aneinandergehängt und bieten dem Zuschauer gleichzeitig Raum zum Weiterdenken. Es kommt dem Stück zu Gute, dass es nicht anklagt, sondern nur parodiert. Es entlarvt Muster des Mutterglückes und schaut hinter die Fassade der glücklichen Kleinfamilie. Denn die ersten Monate des Elternseins, so die Protagonistin, seien Krieg. Wie man diesen überlebt hat, weiss am Schluss niemand so genau. Aber die Mutter sieht das zufrieden am Schnuller nuckelnde Kind und ist nun trotz allem glücklich.

Claudia Peter / Der Landbote, 05.04.2013


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