Benjamin Griebel und Regisseur Hannes Rudolph entdecken John Clancys Monolog „Event“.
Warum verstummt die Unterhaltung, wenn im Saal das Licht aus-, das auf der Bühne angeht? Sollte dann noch jemand plappern, hört auch der auf, sobald eine Person ins Scheinwerferlicht tritt. Die Person im Schminkkasten ist ein Mann. Vom Moment seines Erscheinens auf der Bühne an nicht mehr irgendein Mann, sondern der Mann, der von diesem Mann auf der Bühne die nächsten 70„Minuten reden wird. Zuerst von der erstaunlichen Tatsache, dass soeben alle Gespräche verstummten und jetzt der Mann auf der Bühne das Sagen hat.
Mit Stille im Saal beginnt jeden Abend auf vielen hundert Bühnen auf diesem Globus das Ereignis Theater. Der amerikanische Autor und Theatermann John Clancy hat in einem gnadenlos klugen Text den seltsamen Vorgang unter die Lupe genommen, dass einander fremde Menschen zu einem definierten Zeitpunkt ein Theater betreten, verstummen und zu - manchmal stundenlang geduldig leidenden - Zuschauern eines Ereignisses werden, das zu 100 Prozent künstlich ist. In Rudolstadt allerdings leiden sie nicht, sie lachen und lernen etwas und klatschen am Ende begeistert.
Clancys „Event“ nimmt sich die Zutaten vor, aus denen das Ereignis Theater besteht: Zuschauer, hier Fremde genannt, Schauspieler, Text, Regie, Kostüm, Kulisse, Requisite, Kollegen, Kritiker, Konkurrenz zu publikumsmächtigeren Ereignissen im 21. Jahrhundert… Ob New York, wo Clancy lebt, Edinburgh, wo „Event“ 2009 uraufgeführt wurde, oder Rudolstadt, wo der Schauspieler Benjamin Griebel und der Regisseur Hannes Rudolph das Stück nun auf die Bühne bringen - die Probleme und Zweifel, die das Theater umtreibt, gleichen sich.
Der Dreitagebart, der billige Anzug, das knittrige Hemd - von Griebels Mann geht kaum Glamour aus. Da steht kein hoch bezahlter Großschauspieler, der sich süffisant über die Absurditäten seiner Profession auslässt. Die Figur des Mannes in Rudolstadt ist als Mann aus Rudolstadt angelegt. Es ist eine etwas fiebrige, verlorene Figur, und man möchte sie manchmal rütteln: Guck nicht so verhuscht und unsicher, du hast hier doch einen scharfsinnigen, klugen und pointierten Text, du hast allen Grund, selbstbewusst zu sein. Der Schauspieler, auch das lernt der Zuschauer an diesem Abend, macht, was ihm gesagt wird. Seine Kunst ist es, Bewegung und Sprache punktgenau abrufen zu können, wie es verabredet wurde. Er ist das Opfer - will das Textbuch uns weismachen - und die Inszenierung macht sich von der Vorgabe nicht richtig frei.
Angelika Bohn / Ostthüringer Zeitung, 04.03.2013