Ein Schaf fürs Leben: Presse

Da wird selbst ein Wolf zum Vegetarier

Das Theater Regensburg hat das Kinderstück „Ein Schaf fürs Leben“ fantasie- und liebevoll inszeniert.

Von Fred Filkorn, MZ

Regensburg. Da hat Kostümbildnerin Katharina Bullermann vom Theater Regenbogen ganze Arbeit geleistet. Die bleich geschminkte Yvonne Klamant trägt als Wolf zum weißen Plusterhemd – schön altmodisch – Tweed-Weste und -Hose, pelzige Stiefel und Handschuhe und auf dem Kopf etwas, das an den „Seher“ aus dem gleichnamigen Asterix-Band erinnert. Wenn sie dann mit tiefer Stimme die Kinder der ersten Reihe fragt, wie man eigentlich einen Lammbraten zubereitet, können die etwas zarter Besaiteten schon einmal Reißaus nehmen. Jedenfalls ist der Wolf happy: Total hungrig – „die Zeit drängt, der Magen hängt“ – hat er in einem Stall ein Schaf getroffen, das begeistert seiner Einladung zum Ausflug folgt. János Kapitány gibt in legerer, weißer Freizeitkleidung und Pelzmütze mit Schafsohr-Applikationen das naive Herdentier wunderbar „belämmert“.

Gemeinsam machen sich die beiden ungleichen Partner jedenfalls auf den Weg nach „Erfahrungen“, was Schaf (er ist nicht nur eins, er heißt auch so) für eine Stadt hält. Natürlich hat Wolf nur eines im Sinn: Er möchte seinen Reisekompagnon verspeisen. Doch Schafs entwaffnende Freundlichkeit lässt Wolf zunehmend an seinem Vorhaben zweifeln. Bevor sie mit ihrem Schlitten den Berg hinuntersausen können, müssen sich die beiden erst noch eine Berglandschaft basteln: Ein weißes Tuch wird da zum Schnee, Kissen zu Bergen und zusammengeknitterte Alufolie ergibt See und Bäume. Hier gelingt Dramaturgin Petra Siegel und Regisseur Hannes Rudolph ein ganz faszinierender Perspektivwechsel vom großen Realen hin zum kleinen Miniaturhaften.

Sehr unterhaltsam – gerade auch für die erwachsenen Zuschauer – ist außerdem der unmittelbare Wechsel von Spielszenen zu den erläuternden Kommentaren, die die beiden Protagonisten über ihre eigene Figur abgeben. Das Schaf sieht den Wolf mit großen, runden Augen an, im nächsten Moment richtet sich Kapitány direkt an das Publikum und sagt: „Schaf sah Wolf mit großen, runden Augen an.“

Spaß machen bei dieser Geschichte ferner die vielen liebevollen kleinen Details. Bevor sich Schaf zum unterkühlten Wolf ins Bett legt, um ihn zu wärmen, putzt er sich noch schnell die Zähne. Wolfs Wohnung schmückt ein lustiges Porträt des Hausherrn, im Hintergrund ist leise das Hauptthema aus „Peter und der Wolf“ zu hören, knisternd wie von einer Schellackplatte. Die wenigen Requisiten erzeugen eine große Wirkung, so ersetzen beispielsweise zwei kippelige Paletten bravourös den Schlitten.

Junge Zuschauer lernen, dass es wichtig ist, unvoreingenommen anderen Menschen (oder Wölfen) gegenüberzutreten und dass man auch ohne Fleischkonsum glücklich werden kann. Am exzessiven Gebrauch von Alufolie sollten sie sich jedoch besser kein Beispiel nehmen.

Mittelbayerische Zeitung, 6.3.2012


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